4.5 Ursachenidentifikation der extremen Erosionserscheinungen


Extreme Erosionserscheinungen treten nur bei ungünstiger Konstellation der Erosion bewirkenden komplexen Auslösefaktoren ein!

Nach der Erstbegehung und Sichtung grundlegender Unterlagen wurde 08/2007 folgende Einschätzung getroffen:

"Ursache der extremen Erosionserscheinungen 2007 ist die Starkregenhöhe, ihre Häufigkeit (Anzahl mindestens 12 ohne Kenntnis von Regenschreiberaufzeichnungen) und Aufeinanderfolge seit Pfingsten 2007 bei den herrschenden Bodenbedingungen (Auftreten von Stauwasser durch den Tieflehm mit verstärktem lateralen Abfluss innerhalb des Bodens bei schon geringer Hangneigung). Zusätzlich trugen die zwischenzeitlich eingetretenen Niederschläge zu der ständig hohen Wasseraufsättigung bei. Zudem steht Mais nach konventioneller Bodenbearbeitung auf dem Erosionsareal. Wahrscheinlich wurden bereits bei den ersten Niederschlägen nach der Aussaat die bevorzugten Abflussbahnen zu (entlang der Saatreihen) und in den Tiefenlinien angelegt, die sich nachfolgend von Ereignis zu Ereignis tiefer und rückschreitend einschnitten, mit dem Ergebnis der Rillen- (2-10 cm), Rinnen- (10 - 40 cm) und Grabenbildung (>40 cm) sowie von Böschungsabbrüchen.
Als Erosionsansatzpunkte werden die konvexen Hangbereiche mit flachgründigem Decksand über dem stauenden Lehm angesehen, wo der laterale Schichtabfluss im Boden an der Oberfläche mit dem Oberflächenabfluss zusammentraf/-trifft."

Als eine weitere Ursache wurde das Grubbern der unter 4.3 Landnutzung vorgesehenen Roggenbegrünung zur Erosionsschadensbeseitigung identifiziert, eigentlich eine gebräuchliche und empfohlene Maßnahme zum Bodenschutz. Zum Eintrittszeitpunkt des nächsten Starkregens konnte sich eine durch bestockenden Roggen geschützte Bodenoberfläche jedoch noch nicht ausgebildet haben. In die dem Gefälle folgenden Roggenstreifen traf der Oberflächenabfluss aus den quer zum Gefälle orientierten Maisreihen auf durch den Grubberstrich erzeugte "Schwachstellen" am Rand, trat zum Teil bereits konzentriert in sie ein, folgte dem Gefälle und verstärkte sich durch weiteren Zufluss. Sollte die als erosionsmindernd angesehene Querbearbeitung als ein Erosionsförderer gewirkt haben? Bekannt ist, dass sie ihre günstigste Wirkung im Bereich niedriger Hangneigung, wie auf Schlag 40 vorherrschend, aufweist. Zu beachten ist, Querbearbeitung ist nicht mit der "Schichtlinienbearbeitung" (entlang der Höhenlinie) gleichzusetzen.
Untersuchungen im Projektzeitraum führten allerdings zu weiteren anfangs nicht erkennbaren und überraschenden Ursachen.

Erst nach der Ernte des Mais konnte die Bodenoberfläche visuell eingeschätzt werden. Zu betonen ist, dass aus Unterlagen zur Topografie (TK10, DGM25) nur der sich konzentrierende Oberflächenabfluss in Richtung auf den Böschungsabbruch am Russengraben und weiträumige, langgestreckte Rücken und Senken ersichtlich waren. Visuell wurden nun Rücken und Senken in engem Wechsel erkennbar, die mit den regelmäßig auftretenden linearen Erosionsformen in Zusammenhang zu bringen waren (Abbildung 22).

Abbildung 22:
Visueller Eindruck der Oberfläche auf Schlag 40


Das Luftbild 1953 wies auf den Flächen des heutigen Schlages andere Bearbeitungsrichtungen auf, hangabwärts mit ca. 300 ... 430 m Länge (Abbildung 23). Zudem existierten kleinere Feldbreiten, die der damaligen Nutzungsstruktur und Eigentumsverhältnissen zuzurechnen sind. Bekannt war, die gegenwärtige Landnutzung ist nicht ohne Berücksichtigung der historischen Nutzung interpretierbar.

Abbildung 23:
Ausschnitt aus Luftbild 1953


Es stellte sich die Frage, ist die Erosion 2007 evtl. Resultat vergangener, jetzt überprägter Nutzungsformen? Nach weiteren historischen Daten wurde gesucht. Auf das DGM1 zwecks Erosionssimulation wurde noch gewartet. Eine Simulation auf Basis des DGM25 erschien aufgrund von Erfahrungswerten für das relativ ebene, wenig geneigte Areal mit den flachen Senken nicht erfolgversprechend (s. auch Abbildung 27).

Anfang Juni konnten im LGB erste Resultate vor der Fertigstellung des Gelände- und Oberflächenmodells diskutiert werden (Abbildung 24). Überraschend ähnlich Strukturen auf dem Bildausschnitt wurden sichtbar, die sich durch den Wald (dort sehr deutlich) in die Ackerflächen hinein fortsetzten. Recherchen deuteten auf Wölbackernutzung während früherer Landbewirtschaftung (HIEROLD ET AL. 2000, WULF, 2000). Das DGM1 mit 144 km²-Abdeckung lieferte Mitte August letztendlich den vollständigen Gebietsüberblick, mit Wölbäckern in weiten Arealen.

Abbildung 24:
Bildausschnitt des DGM1, Erstbegutachtung (LGB)

Drei Schnitte durch den Bereich des Verbauareals zeigen deutlich "Wölbackerstrukturen" (Wölbackerbeet und Senken), die durch die "Querbearbeitung" z.T. geglättet wurden (Abbildung 25). Es existiert ein relativ ebenes Gelände mit Höhendifferenzen von nur bis zu 70 cm in den Querschnitten über 150 m Breite.
Die Erosionsformen konnten nun gut interpretiert werden. Wird sich das, was mittlerweile bekannt war, auch in der Erosionssimulation abbilden? Ungeklärt waren noch die Fragen zur speziellen Niederschlagsstruktur, welche Wiederkehrwahrscheinlichkeit sollte unterstellt werden und wie gut kann das Modell mit den detaillierten Höhendaten umgehen.

Abbildung 25:
Drei Querschnitte im Bereich des Grabensystems

Die Erosionsformen konnten nun gut interpretiert werden. Wird sich das, was mittlerweile bekannt war, auch in der Erosionssimulation abbilden? Ungeklärt waren noch die Fragen zur speziellen Niederschlagsstruktur, welche Wiederkehrwahrscheinlichkeit sollte unterstellt werden und wie gut kann das Modell mit den detaillierten Höhendaten umgehen.